Der Atomausstieg

Nach der Katastrophe in Fukushima in 2011 wurden die Themen Atomausstieg und Energiewende in Deutschland neu entfacht. Die schwarz-gelbe Koalition entschloss sich damals zügig: Man wollte sich so schnell wie möglich von der Atomenergie verabschieden, den Bezug aus erneuerbare Energiequellen ausbauen und vollständig auf Ökostrom umstellen. Was hat sich seit 2011 hinsichtlich der Stilllegung der Atomkraftwerke getan? Wird sich das Ziel “Atomausstieg bis 2022” tatsächlich realisieren lassen? Lesen Sie nachfolgend alles rund um das Ende der deutschen Atomenergie.

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Stand der aktiven und abgeschalteten Atomkraftwerke in Deutschland

Seit der Inbetriebnahme des Atomkraftwerks (AKW) Kahl in 1962 hat Deutschland bislang stetig Energie aus Atomkraft gewonnen, mit einem jährlichen Spitzenwert in Höhe von 171 Milliarden kWh in 2001. Weltweit gehörte Deutschland zu den Spitzenreitern hinsichtlich Stromerzeugung aus Kernenergie, bemessen an der Gesamtmenge, welche in den AKWs erzeugt wurde, und das obwohl sich weniger als 4 % der weltweiten AKWs in Deutschland befanden. Als Reaktion auf das Desaster in Fukushima, beschloss die Bundesregierung am 6. Juni 2011 jedoch entscheidende Schritte bezüglich des Atomausstiegs einzuleiten. Im Zuge des beschlossenen stufenweisen Ausstiegs wurden 8 der in Deutschland befindlichen AKWs stillgelegt. Hierzu zählen Brunsbüttel, Unterweser, Krümmel, Philippsburg 1, Biblis A + B, Neckarwestheim 1 und Isar 1. In 2015 folgte dann die Stilllegung von Grafenrheinfeld, in 2017 Gundremmingen B und Philippsburg 2 in 2019. Somit sind derzeit nur noch 6 AKW innerhalb der Bundesrepublik aktiv. Diese sollen jedoch im Rahmen des “Atomausstieg bis 2022”-Plans in den kommenden Jahren ebenfalls abgeschaltet werden. 

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© BMU

In 2021 werden Brokdorf, Grohnde und Gundremmingen C abgeschaltet, sowie in 2022 Emsland, Neckarwestheim 2 und Isar 2. Insgesamt lässt sich sagen, dass der Rückbau der AKWs ein sehr langwieriger, komplizierter und teurer Vorgang ist. So wird beispielsweise das ehemalige AKW Lubmin, welches bereits in 1990 stillgelegt wurde, seit 1995 zurückgebaut. Es wird geschätzt, dass dieser Rückbau nicht vor 2025 abgeschlossen sein wird. Der Rückbau eines AKW dauert deshalb so lange, da oftmals darauf gewartet werden muss, bis beispielsweise Brennelemente abgekühlt sind. Dieser Prozess alleine kann bereits 5 Jahre in Anspruch nehmen. Ebenso sind große Mengen an Abfall und Bausubstanzen, welche aufgrund der radioaktiven Strahlung aufwendig gereinigt werden müssen, abzutransportieren. Daher müssen mehrere Jahrzehnte eingeplant werden, bis sich auf einer ehemaligen AKW-Grundfläche wieder eine idyllische grüne Wiese befinden kann.

Kritische Stimmen hinterfragen den überstürzten Ausstieg

Aus Kritikerreihen lässt sich oftmals verhören, wie der Atomausstieg die Energiewende eher verlangsamen würde, anstatt diese voranzutreiben. Wenn über die Energiewende gesprochen wird, geht es der Bundesregierung jedoch nicht nur um den endgültigen Atomausstieg bis 2022. Stattdessen soll möglichst schnell eine komplette Umstellung auf nachhaltige Energiegewinnung geschehen, d.h. nicht nur das Aus für Atomkraft, sondern auch für Energiegewinnung aus Öl, Erdgas und Kohle. Das Hauptproblem sei derzeit noch, dass es keine entsprechenden Möglichkeiten gäbe, Energie aus erneuerbaren Ressourcen langfristig und effizient zu speichern. Daher müsse auf importierten Strom zurückgegriffen werden, welcher von AKWs aus Frankreich oder Kohlekraftwerken aus Polen stammt. Um dies zu vermeiden, fordern Kritiker des Atomausstiegs, dass wir zuerst realistische Pläne für verbesserte Speichermöglichkeiten für Strom aus erneuerbaren Energien vorliegen haben sollten, bevor allen AKWs der Stecker gezogen wird. Bis dahin sei CO2-Neutralität bei der Energiegewinnung nur mit Atomkraft zu erreichen. Auf die Frage, wie das Endlagerungsproblem des radioaktiven Mülls gelöst werden solle, haben Befürworter der Atomkraft jedoch auch keine Antwort.

Zwischen- und Endlagerung

Derzeit gibt es tatsächlich noch keine zufriedenstellende Lösung zur Endlagerung des Atommülls - weder  für Deutschland noch für andere Länder, welche AKWs betreiben. Alleine in Deutschland sind seit der Inbetriebnahme von AKWs, was bisher nur ein Zeitrahmen von wenigen Jahrzehnten ist, bereits mehr als 15.000 Tonnen an radioaktivem Müll angefallen. Innerhalb von ganz Europa sind es sogar rund 60.000 Tonnen. Es gilt diesen für mehrere hunderttausend Jahre an einem sicheren Ort zu verwahren, ohne dass dieser zu einem Sicherheitsrisiko wird. Der Endlagerungsort muss in der Lage sein, für mehrere hunderttausend Jahre jegliche Wetterbedingungen zu trotzen und Naturkatastrophen unbeschadet überstehen zu können sowie ausreichend abgesichert sein, dass dieser im Falle eines Krieges nicht als Waffe benutzt werden kann. Solch einen Ort zu finden, stellt sich als sehr schwer heraus. Der Plan der Bundesregierung ist, bis 2031 einen neuen Endlagerungsplatz zu finden. Bis dahin wird der überwiegende Anteil des anfallenden Atommülls weiterhin an einem der drei zentralen Zwischenlagern, Gorleben, Ahaus und Lubmin, aufbewahrt. Es gibt jedoch noch zahlreiche weitere Zwischenlager in Deutschland, an AKW-Standorten, Landessammelstellen sowie Industrie- und Forschungseinrichtungen.Bislang haben Energieanbieter, welche AKWs betreiben, d.h. die RWE, EnBW, E-on und Vattenfall, rund 24 Milliarden Euro an den Staat für die Zwischen- und Endlagerung von Atommülls bezahlt. Dieses Geld soll bis 2100 so angelegt werden, dass daraus 169 Milliarden Euro werden - denn das ist der Betrag, welcher für die zukünftige Entsorgung eingeplant wird. Ob diese Summe jedoch ausreicht, steht derzeit noch in den Sternen.

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Fazit

Derzeit kommen noch 11 % der in Deutschland genutzten Energie aus Kernenergie. Im Vergleich hierzu: In 2001 waren es noch rund 30 %. Der komplette, sich überschneidende Ausstieg aus Atom- als auch Kohleenergie stellt Deutschland vor eine große Herausforderung. Die Bestrebungen der Bundesregierung bis 2022 völlig auf Atomkraft verzichten zu wollen, erscheinen derzeit immer noch ambitioniert - so sehr, dass andere Länder gespannt in unsere Richtung schauen, um zu sehen, ob Deutschland dieses Unterfangen erfolgreich gelingt. Wenn dem so sein sollte, ist anzunehmen, dass andere Länder unserem Beispiel zügig folgen werden.