Seit langem werden Deutschland und die EU von Russland mit Erdgas versorgt. Da Alternativen fehlen, hält die Bundesregierung trotz politischer Spannungen an den Gasimporten aus dem Osten fest und baut gerade eine weitere Gaspipeline nach Russland: Die Nord Stream 2. Bundeswirtschaftsminister Altmaier will die deutschen Importe jedoch diversifizieren und plant jetzt den Bau von Flüssigerdgas-Terminals, um Erdgas aus den USA importieren zu können. Ist dies ein Schritt zur Unabhängigkeit von Russland?
Gasimporte aus Russland
Deutschland und Europa importieren fleißig Gas aus Russland. Erdgas aus Deutschland deckt derzeit nur 6% des deutschen Erdgaskonsums. Die restlichen 94% des Erdgases werden somit importiert, wobei die Mehrheit mit 40% aus Russland kommt. Das Gas muss zuverlässig nach Deutschland transportiert werden können - unabhängig von Transitländern - und so wurde Ende 2011 die Nord Stream 1 eingeweiht. Aufgrund der wachsenden Erdgas-Importe wird nun parallel zur bestehenden Pipeline die Nord Stream 2 gebaut. Die neue Pipeline soll Ende 2019 in Betrieb gehen. Das Gas, das über diese Pipeline nach Deutschland kommen wird, soll nicht nur hier, sondern in ganz Europa genutzt werden.
Die Geister scheiden sich, inwieweit Nord Stream 2 die europäische Abhängigkeit von russischem Gas erhöhen wird. Die europäische Gemeinschaft ist stark gespalten, was die Beziehungen zu Russland angehen und damit auch was den Pipeline-Bau betrifft. In der EU gibt es eine Gasrichtlinie, die besagt, dass der Gasproduzent nicht gleichzeitig Pipeline-Betreiber sein darf. Das ist im Falle von Nord Stream 2 jedoch der Fall: Sowohl Gas als auch Pipeline gehören Gazprom. Die EU hat entschieden, dass sich nicht nur innereuropäische, sondern auch solche Pipelines an diese Richtlinie halten müssen, die von außen in die EU führen - so wie Nord Stream 2. Deutschland habe jedoch die Möglichkeit, mit Russland und Gazprom über die konkrete Umsetzung der EU-Gasrichtlinie zu diskutieren. Dabei werde die ausgehandelte Lösung von der EU-Kommission kontrolliert und begutachtet. Ob die neue Regelung die Pipeline wirtschaftlich unprofitable mache, ist noch unklar.
Nord Stream und Nord Stream 2 sollen Europa unabhängiger von Transitländern machen, durch die andere Pipelines von Russland nach Europa führen. Diese können das Passieren des Gases durch Ihre Territorien dazu nutzen, um günstigere Gaspreise für sich selbst auszuhandeln. Gleichzeitig gefährden sie die Energiesicherheit der EU, da sie den Gasfluss stoppen können. Für Deutschland haben die Nord Stream Pipelines eine weitere Bedeutung: Sie erhöhen den Einfluss des Landes innerhalb der EU, da sie Deutschland zum Energiezentrum des europäischen Kontinents machen. Somit bringt die Pipeline Deutschland nicht nur Sicherheit, sondern auch politische Macht. Und auch bezüglich der Energiewende haben die Pipelines eine große Bedeutung: Sie sichern günstigen Zugang zu russischem Gas, welches in den vielen Gaskraftwerken in Deutschland genutzt werden kann. Gaskraftwerke sind besonders flexibel und können Schwankungen in der Stromproduktion, die mit regenerativen Energien einhergehen, ausgleichen. Auch werden Gaskraftwerke in Folge des Kohleaustiegs immer wichtiger.
Mögliche Gasimporte aus den USA
Trotz dieser positiven Implikationen von Nord Stream 1 und 2 ist sich Deutschland auch den Gefahren einer Abhängigkeit von russischem Gas bewusst. Gute Alternativen gibt es jedoch nicht. Derzeit werden Gasimporte aus den USA diskutiert, welche jedoch noch recht teuer sind. Das amerikanische Gas könnte in Form von Flüssiggas (LNG) in speziellen Tanker nach Deutschland geliefert werden. Dafür fehlen aber noch LNG-Terminals, in denen das Flüssiggas gelagert werden könnte. Diese sollen jetzt gebaut werden. Stade, Wilhelmshaven oder Brunsbüttel sind als mögliche Standorte für die Terminals im Gespräch. Wirtschaftsminister Altmaier möchte mindestens zwei LNG-Terminals in Norddeutschland bauen. Die Importe von Flüssiggas aus den USA würden zur Diversifizierung der deutschen Gasimporte beitragen.
Auch Trump pocht darauf, dass Deutschland mehr Gas aus den Vereinigten Staaten importieren solle, um so unabhängiger von russischem Gas zu werden. Dies sei auch eine politische Frage. Trump will vor allem einen neuen Absatzmarkt für amerikanisches Gas gewinnen. Die USA produzieren derzeit dank Fracking so viel Gas wie nie zuvor. In Folge dessen freuen sich die USA über die derzeitigen Schwierigkeiten mit dem Bau von Nord Stream 2. Das Land kündigte sogar Sanktionen gegen Unternehmen an, die sich an Nord Stream 2 beteiligten. Dies kritisierte die deutsche Regierung jedoch scharf. Deutschland strebe eine Diversifizierung seiner Gasimporte an und wolle in Zukunft sowohl russisches als auch amerikanisches Gas importieren. Altmaier drückte es richtig aus: „Was Energieversorgung angeht, ist und darf Europa nicht erpressbar sein - egal ob von Feinden oder Freunden."
Fazit
Schlussfolgernd lässt sich feststellen, dass der internationale Widerstand gegen Nord Stream 2 und die europäische Abhängigkeit von russischem Gas wächst. Auch wenn das Projekt weiterläuft, muss es sich jetzt an europäisches Recht anpassen. Deutschland profitiert von der Pipeline stark, da diese das Land in das Zentrum der europäischen Energieversorgung rückt. Trotzdem ist sich Deutschland auch den Risiken bewusst und plant daher zukünftig mit amerikanischem Flüssiggas unabhängiger von Russland zu werden. LNG aus den USA wird sich jedoch nur durchsetzen wenn es günstiger und damit konkurrenzfähiger wird. Im Moment ist russisches Gas noch die lukrativere Wahl.