Wahl der Führungspositionen in der EU: Was ist dieses Jahr anders?

Im Anschluß der Europawahlen 2019 fanden Personaldebatten für die EU-Führungspositionen statt. Dieses Jahr waren diese besonders langwierig, da sich die Regierungschefs der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Besetzung der EU-Führungspositionen nicht einigen konnten. Die Besetzung der EU-Kommissionsposition sorgte hier besonders für Unstimmigkeiten. EU-Bürgern wurde versprochen, dass die EU durch das Spitzenkandidaten-Verfahren demokratischer gestaltet werden soll. Die Regierungschefs wollen sich jedoch dieses Jahr nur ungern auf einen der aufgestellten Spitzenkandidaten einigen. Erfahren Sie hier mehr über die Besetzung der EU-Führungspositionen sowie das angewandte Spitzenkandidaten-Verfahren. EU Kommission 2

Die EU-Gipfel: Verhandlungsmarathons 

Nach der diesjährigen Europawahl müssen die folgenden fünf Spitzenpositionen neu besetzt werden: EU Kommissionspräsident, Parlamentspräsident, EU-Ratspräsident, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) und die des "Hoher Vertreters für Außen- und Sicherheitspolitik". Die Debatten fingen bereits vier Wochen nach der Bekanntgabe der Europawahlergebnisse an. Nachdem sich die Regierungschefs nicht einigen konnten, wurden die Entscheidungen zuerst auf den 30. Juni und nach weiteren Unstimmigkeiten dann anschließend auf den 2. und 3. Juli verlegt. Innerhalb weniger Tage sollten die Führungspositionen belegt werden. Unter den vielen Spitzenpositionen, die diskutiert und ausgehandelt wurden, konnten sich die Beteiligten bisher auf vier Kandidaten für die jeweilige Position einigen: 

1) Christine Lagarde wird die neue Chefin der EZB, 

2) Charles Michel wird Chef des Europäischen Rates, 

3) David Sassoli der neue Präsident des Europaparlaments und 

4) Josep Borrell wird Federica Mogherini als Hoher Vertreter der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik ersetzen. 

Somit bleibt nur noch die Position des Präsidenten der Europäischen Kommission unbesetzt. Aufgrund der vielen Uneinigkeiten zwischen den Regierungschefs kann derzeit jedoch spekuliert werden, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis es hier zu einer einvernehmlichen Einigung kommt. 

Wahl des Präsidenten der Europäischen Zentralbank 

Alle acht Jahre wird ein neuer Präsident der EZB von den Staats- und Regierungschefs gewählt. Seit November 2011 wurde diese Position von Mario Draghi, einem italienischen Wirtschaftswissenschaftler, besetzt. Nun wurde während des EU-Gipfels Anfang Juni 2019 entschieden, dass seine Nachfolgerin Christine Lagarde, die Chefin des Internationalen Währungsfonds, sein wird.  

Präsident des Europäischen Rates 

Die Position des Präsidenten des Europäischen Rates wurde durch den Vertrag von Lissabon in 2009 geschaffen. Der Präsident des Europäischen Rates leitet den Rat, hat aber selbst kein Stimmrecht. Der derzeit amtierende Präsident ist Donald Tusk, welcher demnächst von Charles Michel, dem belgischen Premierminister, abgelöst wird. Dessen Nominierung vom Europäischen Rat fand bereits am 2. Juli 2019 statt.  

Wahl des Präsidenten des Europäischen Parlaments

Alle zweieinhalb Jahre wird im Europäischen Parlament ein neuer Präsident mit einer absoluten Mehrheit gewählt. Der Präsident des Europäischen Parlaments leitet die Aktivitäten, wie beispielsweise die Plenarsitzung, des Europaparlaments. Am 3. Juli 2019 ersetzte David Sassoli, ein italienischer Sozialdemokrat, den ehemaligen Präsidenten Antonio Tajani. Sassoli war von 2014 bis 2019 Vizepräsident des Europäischen Parlaments.

Hoher Vertreter der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik 

Die Amtszeit des Hohen Vertreters der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik (HV) ist der Funktionsperiode der Europäischen Kommission von fünf Jahren angepasst. Die Kandidaten für HV werden mit einer qualifizierten Mehrheit vom Europäischen Rat und mit Zustimmung des EU-Kommissionspräsidenten gewählt. Die Position des HVs wurde im Jahr 2009 mit dem Vertrag von Lissabon geschaffen. Ziel ist es, der EU ein Gesicht zu verleihen, beispielsweise in EU-Handelsbeziehungen. Die Position des HV war ursprünglich von 2009 bis 2014 mit Catherine Ashton besetzt. Diese wurde abgelöst von Federica Mogherini, welche voraussichtlich bis 30. November 2019 dieses Amt inne hat. 

Auf dem EU-Gipfel 2019 wurde entschieden, dass der Nachfolger von Mogherini der spanische Politiker Josep Borrell, welcher vom Europäischen Rat für diese Position nominiert wurde, sein wird. Wer zum HV ernannt wird, erfüllt ebenso die Position und zugehörige Tätigkeiten des Vizepräsidenten der Europäischen Kommission, des Vorsitzenden des Rates für Auswärtige Angelegenheiten und des Außenbeauftragten des Europäischen Rates. Somit hat der HV ein sehr weitgefächertes Aufgabengebiet und leitet alle Außenangelegenheiten. 

Unstimmigkeiten bei der Ernennung des Präsidenten der EU-Kommission

Der EU-Kommissionspräsident amtiert für eine Wahlperiode von fünf Jahren. Kandidaten für diese Position werden vom Europäischen Rat nominiert und anschließend vom Europäischen Parlament gewählt. Nach Jean-Claude Juncker wird nun debattiert, wer seine Position übernehmen wird. 

Diese Position ist von besonderer Bedeutung, da sie eine der wichtigsten Führungspositionen innerhalb der EU darstellt. Bisher stehen unter anderem die Spitzenkandidaten Manfred Weber (Europäische Volkspartei), Frans Timmerman (Partei der Europäischen Sozialisten) und Ska Keller (Europäische Grüne Partei) zur Auswahl. Ebenso steht Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen zur Auswahl - obwohl diese nicht als Spitzenkandidat einer EU-Partei aufgestellt wurde und somit von außerhalb kommt. Am 2. Juli 2019 wurde Von der Leyen vom Europäischen Rat während des EU-Gipfels als EU-Kommissionschefin nominiert.Jedoch braucht sie noch die Zustimmung des Europaparlament, für welche es einer Stimmenmehrheit bedarf. Sollte dies geschehen, wäre Von der Leyen die erste Frau in der Position des Präsidenten der Europäischen Kommission. Ebenso wäre die Position seit sechzig Jahren zum ersten Mal wieder von Deutschland besetzt. Die Meinungen bezüglich der Nominierung von Von der Leyen sind gespalten. Von einigen Politikern wie Martin Schulz, ehemaliger Präsident des Europaparlaments, wird Von der Leyen als nicht geeignet für diese Position angesehen. Ebenso würde die Ernennung dem neu in 2014 entwickelten Spitzenkandidaten-Verfahren widersprechen. EU Kommission 3

Das Spitzenkandidaten-Verfahren der EU

Das Spitzenkandidaten-Verfahren zur Auswahl des Kommissionschefs wurde erstmals in 2014 eingeführt und basiert auf Artikel 17 Abs. 7 des Lissabonner Vertrages, in dem vorgeschrieben ist, dass der Europäische Rat die Wahlergebnisse berücksichtigen soll. Des Weiteren muss das Parlament mit einer Mehrheit der Auswahl des Europäischen Rates zustimmen. Ziel ist es, die EU demokratischer zu gestalten und Unionsbürger ein Mitspracherecht bei der Bestimmung des EU-Kommissionschefs zu geben. Daher wurde das Spitzenkandidaten-Verfahren entwickelt, welches auf dem deutschen Wahlprinzip basiert: Zur Wahl des Bundeskanzlers stellt jede Partei einen Spitzenkandidaten - anschließend wird dann der Spitzenkandidat der jeweiligen Partei, welcher die meisten Stimmen erhält, zum Bundeskanzler ernannt. Dieses ähnliches Konzept wird seit 2014 auch für die Ernennung eines EU-Kommissionschefs angewandt. Somit sollen Unionsbürger indirekt die Möglichkeit haben, den EU-Kommissionschefs zu wählen. 

Bei den Europawahlen 2019 hat die Europäische Volkspartei (EVP) die meisten Stimmen gewonnen. Nach dem Spitzenkandidaten-Prinzip sollte Manfred Weber der neue EU-Kommissionschef werden, da er der Spitzenkandidat der EVP ist. Jedoch waren zahlreiche Regierungschefs, wie beispielsweise Emmanuel Macron, damit nicht zufrieden. Weber wird von einigen Seiten noch als zu unerfahren angesehen.

Wie sich dies auf zukünftige Entscheidungsprozesse hinsichtlich der Besetzung der EU-Kommission auswirken könnte, ist noch ungewiss. Es steht jedoch fest, dass es die Argumente von Euroskeptiker nur verstärkt. Diese argumentieren, dass die EU unter einem Demokratiedefizit leide. 

Fazit

Für manche Positionen steht schon ein Verfahren fest und die Entschlossenheit sich zu einigen ist größer als potentielle Unstimmigkeiten. Für andere Positionen, wie beispielsweise die des EU-Kommissionschefs, bestehen derzeit hinsichtlich Verfahren und Personen noch erhebliche Uneinigkeiten. Ob das in 2014 eingeleitete Spitzenkandidaten-Verfahren weiterhin Verwendung finden wird, wird sich bei der Entscheidung des Europaparlaments bezüglich der Wahl von Von der Leyen oder spätestens bei der nächsten Wahlperiode herausstellen.