Der Windpark der Zukunft?

Könnte ein neues Megaprojekt billigen Ökostrom für Nordeuropa liefern? Der niederländische Stromnetzbetreiber Tennet hat neue Studien zu einem geplanten riesigen Offshore-Windpark in der Nordsee veröffentlicht. Die Pläne klingen auf den ersten Blick ein wenig nach Science-Fiction: der Park soll sich mitten in der Nordsee befinden und künstliche Inseln sollen gebaut werden, um die gewonnene Energie effizienter an das Festland weiterzuleiten. Doch das Projekt ist nicht so abwegig wie es zunächst scheinen mag.

windräder

Probleme bisheriger Windparks

Ein Problem bisheriger Windkraftanlagen ist, dass sie auf dem Land oft auf lokalen Widerstand treffen. Deshalb setzen Energieproduzenten schon länger auf sogenannte Offshore-Anlagen, welche sich im Meer statt auf dem Land befinden. Dabei gibt es wiederum das technische Problem, dass solche Anlagen sich nur bei einer relativ geringen Wassertiefe wirklich lohnen. Das macht natürlich besonders küstennahe Gebiete zum idealen Standpunkt für Windparks im Wasser, doch in diesen Gebieten wurden inzwischen schon fast überall Anlagen gebaut.

Künstliche Inseln in der Nordsee

Hier kommt der neue Plan ins Spiel: Der riesige Offshore-Windpark soll auf der Doggerbank entstehen, einem relativ flachen Gebiet mitten in der Nordsee, das sich etwa 78 km östlich der englischen Küste befindet. Dort würden eine Wassertiefe zwischen 15 und 36 Meter die Errichtung eines kosteneffizienten Windparks ermöglichen. Was solchen Projekten bisher im Wege stand, war der hohe Energieverlust durch die notwendigen langen Kabel ans Festland. Dieses Problem könnte allerdings durch die innovative Errichtung künstlicher Inseln gelöst werden. Auf diesen Inseln könnte der erzeugte Wechselstrom in Gleichstrom umgewandelt und deshalb mit weit weniger Energieverlust an die Küste übertragen werden.

Natürlich klingt die Errichtung künstlicher Inseln nach einer sehr aufwendigen Angelegenheit. Doch der zuständige Projektmanager von Tennet, Robert van der Hage, sagte dazu im Interview mit der englischen Zeitung Guardian, dass die Niederländer schon seit Jahrhunderten Landgewinnung in der Nordsee betreiben und er dort nicht die größte Herausforderung sehe. Als weitere Beispiele für die erfolgreiche Konstruktion von künstlichen Inseln könnte man auch die palmenförmigen Hotelinseln in Dubai erwähnen. Technisch scheint das Ganze also machbar. Auch die mögliche Energieproduktion klingt vielversprechend: Die gesamte Anlage könnte auf eine Leistung von bis zu 30 Gigawatt ausgebaut werden. Zum Vergleich: ein durchschnittliches Kernkraftwerk erzeugt um die 1,4 Gigawatt.

Unrealistische Utopie oder Zukunft?

Doch vielleicht gerade die Größe des geplanten Projekts liefert auch Gründe für Zweifel. Es erinnert in seinen utopischen Ausmaßen ein wenig an “Desertec”, ein Projekt um ein riesiges Solarstromkraftwerk in der Sahara, das ganz Nordafrika und Europa mit grüner Energie beliefern sollte. Desertec scheiterte jedoch an Sorgen um die politische Stabilität in Nordafrika und wegen Kritik an der entstehenden Abhängigkeit Europas. Auf der anderen Seite würde der Doggerbank-Windpark gerade diese Probleme nicht beinhalten und könnte langfristig die Niederlande, Großbritannien, Dänemark und Deutschland mit billigem Ökostrom beliefern.

Alles in allem klingt das Projekt zunächst noch nach Zukunftsmusik, doch das Interesse von Investoren und Stromnetzbetreibern sowie die positiven Ergebnisse von Studien zeigen, dass es Realität werden könnte. Wie soll es weitergehen? Noch in diesem Jahr sollen weitere Details zum Plan veröffentlicht werden und frühestens 2027 könnte die erste Insel ans Netz gehen. Wie das Projekt sich weiterentwickelt oder ob es zu utopisch ist, um tatsächlich realisiert zu werden, wird sich also bald zeigen.