Liberalisierung im Strommarkt

Liberalisierung - was ist das eigentlich? Der Begriff fällt sowohl im politischen als auch im wirtschaftlichen Bereich. Im wirtschaftlichen Bereich steht Liberalisierung für die Beseitigung von Beschränkungen vom Staat, die Definition im Kontext zu Politik  bezieht sich vor allem auf die Schaffung und Erhaltung von Menschenrechten. Im folgenden WechselJetzt Beitrag erklären wir die Bedeutung von Liberalisierung für die Märkte des Energiesektors.

Was bedeutet die Liberalisierung im Strommarkt?

Wenn man zum Beispiel in einem Online-Lexikon nach dem Begriff Liberalisierung sucht, ist dieser zunächst vage formuliert. Liberalisierung beschreibt demnach allgemein Entwicklungen im politischen sowie im wirtschaftlichen Bereich. Im politischen Bereich steht Liberalisierung für den Abbau repressiver Funktionen des Staates, zum Beispiel für den Schutz von Menschenrechten und Minderheiten. Im wirtschaftlichen Bereich bezieht sich Liberalisierung auf Deregulierung und Privatisierung. Die Liberalisierung des Energiemarktes fällt in den Bereich der wirtschaftlichen Liberalisierung. 

Prozess der Liberalisierung des Strommarktes

Zwischen 1996 und 1998 beschloss der Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt die Liberalisierung des Strommarktes: Damals ein ganz schön revolutionäres Projekt, denn der Energiemarkt damals war komplett anders strukturiert als er es heute ist. Durch die Macht einiger weniger Firmen und durch staatliche Regulierungen gab es kaum Wettbewerb und nur einige Monopole, welche den Energiemarkt leiteten.

bundestag

Die Liberalisierung wurde mit fünf Energiepaketen der Europäischen Union organisiert. Dies passierte auf der Grundlage, dass zuvor der Energiemarkt von staatlichen Monopolen auf nationaler Ebene geleitet wurde. Die Europäische Union hatte das Ziel für einen Energiebinnenmarkt, wofür verschiedene Maßnahmen gelten sollten und nötig waren. So mussten Normen und Standards angepasst werden, um einen reibungslos funktionierenden Markt zu gewährleisten. Zusätzlich sollten die Energiemärkte für den Wettbewerb geöffnet werden, wobei ein gerechter Marktzugang, Verbraucherschutz und ausreichende Erzeugungskapazitäten sichergestellt werden sollten. Die Liberalisierung des Energiemarktes wird in der Wissenschaft von Experten in verschiedenen Phasen beschrieben. In welchen Schritten dieses Ziel bisher erarbeitet worden ist, wird in der folgenden Übersicht beschrieben. 

1. Energiepaket

Das erste Energiepaket zur Liberalisierung des Energiemarktes wurde zwischen 1996 und 1998 beschlossen. 1996 wurde die erste Stromrichtlinie für den europäischen Binnenmarkt erlassen, und 1998 die erste Gasrichtlinie. Deren Inhalte sollten bis 1998/2000 in nationales Recht integriert werden, um auf die darauf folgenden Umstrukturierungen vorzubereiten. 

2. Energiepaket

Im zweiten Energiepaket wurden 2003 die Netznutzungsbedingungen für den grenzüberschreitenden Stromhandel festgelegt und 2005 wurde der Zugang zu Erdgasfernleitungsnetzen geregelt. Zusätzlich wurde in diesem Paket beschlossen, dass sich Mitgliedstaaten verpflichten, die Strom- und Gasmärkte für alle Kunden zu öffnen. So konnten private und geschäftliche Verbraucher:innen aus einer größeren Menge von Anbietern ihre Gas- und Stromversorgung wählen.

3. Energiepaket

Im Jahr 2009 wurde dann das dritte Energiepaket angenommen. Dieses beinhaltete einige Reformen für den Energiemarkt. Zunächst wurden Energieversorgung und Energieerzeugung vom Betrieb der Übertragungsnetze getrennt, somit wurde die vertikale Integration von Unternehmen aufgehoben. Das bedeutet, dass einzelne Unternehmen nicht in allen Bereichen des Strommarktes tätig sind (Stromerzeugung, Übertragung, Verkauf). Dieser Prozess wird auch als Entflechtung bezeichnet. Zusätzlich wurden einige Richtlinien zur Regulierung dieses Prozesses und der Verbraucherrechte festgelegt.

4. Energiepaket

2019 wurde das vierte Energiepaket angenommen, das aus vier Richtlinien bestand. Zunächst wurden neue Vorschriften hinsichtlich erneuerbarer Energien festgelegt und Förderungen für Investitionen geschaffen. Dadurch  sollen neue Anreize für Verbraucher geschaffen werden. Zusätzlich wurde ein Notfallplan für Stromversorgungskrisen erstellt. Auch für den Fall von nationalen oder regionalen Fragmentierungen wurde eine Richtlinie erstellt, die in solchen Situationen die Zuständigkeit über grenzüberschreitende Zusammenarbeit regelt.

5. Energiepaket

Das neueste Energiepaket wurde 2021 beschlossen. In diesem Paket sind Regelungen integriert, die sicherstellen sollen, dass die klimapolitischen Ziele der EU für 2030 und 2050 in diesen Bereichen eingehalten werden können. Auch sollen Energieeinfuhren diversifiziert werden und der Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigt werden.

Ein liberalisierter Strommarkt?

börse

Doch wie nah ist die aktuelle Situation an einem vollständig liberalisierten Strommarkt? Ein idealer, liberalisierter Energiemarkt würde bedeuten, dass Stromerzeugung und Stromverkauf voneinander unabhängige Aktivitäten sind. Dies ist insofern relevant, dass die Unternehmen, welche in der Stromerzeugung tätig sind, keinen Einfluss auf die Strompreise an den Strombörsen haben. So soll freier Wettbewerb ermöglicht werden.

Doch in der Realität werden niedrige Preise nicht komplett erreicht, für Haushaltskunden ist der Strompreis sogar eher gestiegen. Das liegt daran, dass sich der Strompreis aus verschiedenen Teilen zusammensetzt und der Börsenpreis nur einen kleinen Teil des tatsächlichen Anteils ausmacht. 

Auch ein perfekter Wettbewerb ist selten in der Realität, denn für Strom- und Gasversorgung sind große Investitionen nötig, beispielsweise für Infrastruktur. Allgemein wird von europäischen Behörden der Grad des freien Wettbewerbs überwacht. Auch bestimmte Bereiche des Strommarktes, in denen Wettbewerb nicht möglich ist, werden von Instanzen reguliert. Besonders die Netze werden von einigen wenigen Großunternehmen geleitet.  Das Netz ist hier ein natürliches Monopol, ein Konkurrenzkampf hier wäre organisatorisch nicht sinnvoll. Bereiche mit natürlichen Monopolen müssen aus diesem Grund für den Antrieb der Liberalisierung überwacht werden. 

Liberalisierung und die Energiewende

Es gibt einen Zusammenhang zwischen einer Öffnung des Strommarktes und einer Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien.  Da es durch die Liberalisierung eine größere Auswahl an Stromanbietern für Verbraucher:innen gibt, können diese Stromangebote frei wählen. Auch die Auflösung von Monopolen in der Energiewirtschaft hat die Spielfläche für alle Unternehmen geebnet. Jedoch ist der Wettbewerb trotz allen Regulierungen nicht perfekt, einige Unternehmen konnten ihre Marktmacht konservieren. Aber man muss hier bedenken, dass die Liberalisierung ein Prozess ist, der stetig in Wandlung ist. Wenn Sie Ihr Wissen noch vertiefen möchten, folgen Sie unserer Website durch die Links in diesem Beitrag und lernen Sie mehr über Strom, Gas und von den Märkten des deutschen Energiesektors.