Das Gezeitenkraftwerk

Eine Art der Wasserkraft ist das Gezeitenkraftwerk. Es gibt verschiedene Technologien, mit welchen die Kraft der Gezeiten nutzbar gemacht werden kann, welche diese sind und wie sie funktionieren, erklärt Ihnen WechselJetzt.de im Folgenden.

Gezeiten werden durch die Anziehungskraft des Mondes verursacht, der Mond bewegt die Wassermassen des Meeres abwechselnd von der Küste weg und zur Küste hin. Ein Gezeitenkraftwerk generiert mithilfe der Bewegungsenergie des Wassers bei Ebbe und Flut Elektrizität. Da keine Ressourcen verbraucht werden, kann man diese Art der Energieerzeugung als erneuerbare Energie bezeichnen. Zu finden sind solche Kraftwerke in Meeresbuchten und Flussmündungen. Bereits seit dem 11. Jahrhundert wird die Kraft der Gezeiten genutzt, in Frankreich und England findet man heute noch alte “Gezeitenmühlen”. Aktuell steht eines der größten Gezeitenkraftwerke in Südkorea, die Sihwa Lake Tidal Power Station, welches 500.000 Einwohner mit Strom versorgt. Dieses Kraftwerk funktioniert mithilfe eines Staudamms. Andere große Gezeitenkraftwerke sind La Rance in Frankreich, Swansea Bay Tidal Lagoon in England, und das MeyGen Tidal Energy Project in Schottland.

Funktionsweise: Staudamm-Gezeitenkraftwerk

Bei traditionellen Gezeitenkraftwerken wird ein Teil einer Flussmündung oder ein Teil der Küste mit einem Damm vom offenen Meer abgetrennt. Auch ein abgegrenzter Bereich ohne Landkontakt ist möglich, dies wird dann als Lagune bezeichnet. Durch die Strömung der Gezeiten werden Turbinen hinter einem Damm an einer Küste angetrieben, welche diese kinetische Energie durch einen Generator in elektrische Energie umwandeln. Die Turbinen können in beide Richtungen laufen, sodass sowohl bei Ebbe als auch bei Flut Strom erzeugt werden kann. Hier gilt: je größer der Tidenhub, desto mehr Energie kann gewonnen werden. Mindestens 5 Meter Tidenhub werden jedoch für rentable Nutzung benötigt.

Tidenhub bezeichnet den Unterschied zwischen dem höchsten Meeresspiegel bei Flut und dem niedrigsten Meeresspiegel bei Flut.

 flut_gezeitenkraftwerk

Bei Flut strömt das Wasser vom Meer durch die Turbinen im Damm in die Bucht und treibt dadurch die Turbine an. 

ebbe_gezeitenkraftwerk

Bei Ebbe zieht sich das Wasser von der Küste weg, hier wird die Turbine also in die andere Richtung angetrieben, wenn das Wasser aus dem abgegrenzten Bereich ausläuft. 

Funktionsweise: In-Flow Gezeitenkraftwerke

Im Gegensatz zu den Staudamm-Gezeitenkraftwerken, wird bei den In-Flow Kraftwerken auf einen Staudamm verzichtet. Hintergrund hierfür ist die Absicht, so wenig wie möglich in die Natur eingreifen zu müssen. Diese Art von Gezeitenkraftwerk ähnelt der Funktionsweise von Windkraft. Turbinen stehen an Masten befestigt im Meer, welche dann durch die Strömung angetrieben werden. Daher werden solche Kraftwerke auch als Strömungskraftwerke bezeichnet. Diese funktionieren in Bereichen mit Tide, jedoch können sie auch in anderen Gebieten des Meeres gebaut werden, in denen es Strömungen gibt. Dies macht die Technik weniger abhängig von den spezifischen Anforderungen der herkömmlichen Gezeitenkraftwerke. Im Gegensatz zu Windrädern hat die Technik der Turbinen im Wasser einen weiteren Vorteil, denn durch die höhere Dichte des Wassers kann die Bewegungsenergie effizienter genutzt werden, sodass geringere Geschwindigkeiten und kleinere Rotorblätter genügen. Die geringeren Geschwindigkeiten schützen außerdem Tiere, die eventuell zwischen die Blätter geraten können. Auch sind die Turbinen so konfiguriert, dass sie sich gegen die Strömung ausrichten können, so dass eine maximale Nutzung der Bewegung des Wassers möglich ist.

Vorteile und Nachteile

Ein Vorteil des Gezeitenkraftwerks ist, dass bei Betrieb kein CO2 erzeugt wird. Damit ist diese Art der Stromerzeugung sehr umwelt- und klimafreundlich. Im Gegensatz zu anderen erneuerbaren Energien ist diese Technologie weitestgehend wetterunabhängig und auch sonst gut berechenbar. Außerdem greift das Gezeitenkraftwerk weniger in die natürlichen Abläufe des Wasserkreislaufs ein als andere Wasserkraftwerke. Gezeitenkraftwerke produzieren zusätzlich keine Sicht-, Geruchs- oder Lärmbelästigung. Auch die Lebensdauer der Gezeitenkraftwerke ist ein Plus, es werden 120 Jahre mögliche Nutzung geschätzt. So würden sich hohe Startinvestitionen auf lange Sicht durchaus lohnen.

wattenmeer

Jedoch sind besonders Gezeitenkraftwerke stark abhängig von ihrem Standort, da nur Orte gewählt werden können, an denen es Ebbe und Flut gibt. Es gibt nur wenige Küsten, welche die idealen Bedingungen für ein Gezeitenkraftwerk erfüllen und oftmals sind solche Gebiete besondere Naturgebiete. Ein Gezeitenkraftwerk greift hier in den Küstenbereich dieser Orte ein. Auch die Stromerzeugung ist ungleichmäßig, zwischen Ebbe und Flut liegen immer Zeiträume, in denen kein Strom produziert werden kann.Zusätzlich sind Bau und Instandhaltung der Kraftwerke oft mit hohen Kosten verbunden, da die Naturgewalt des Meeres hochwertige Materialien und gute Pflege voraussetzt. Außerdem ist der Tidenhub in den deutschen Küstengebieten relativ gering, daher ist diese erneuerbare Energie für die deutsche Energieproduktion eher uninteressant. In-Flow Gezeitenkraftwerke oder Strömungskraftwerke stellen in diesem Fall jedoch eine nutzbare Alternative dar. Ein weiterer Nachteil ist, dass die gesetzliche Lage der Nutzung von Wasserkraft im Meer  aufgrund des Status der internationalen Gewässer teils unklar ist und daher Investor:innen abschrecken kann.

Fazit

Obwohl die Kraft der Gezeiten schon lange genutzt wird, steht die kommerzielle Energiegewinnung noch in den Startlöchern. Die Menge der tatsächlich genutzten Energie durch Gezeiten ist ein kleiner Bestandteil der erneuerbaren Energien. Jedoch bieten vor allem die In-Flow Gezeitenkraftwerke ein großes Potential für die Zukunft, da sie weniger invasiv, flexibler und kostengünstiger sind als traditionelle Staudamm Gezeitenkraftwerke. Sie könnten eine Möglichkeit der Nutzung des Wassers darstellen, denn allgemein ist das Potential aller Wasserkraft sehr groß. Aktuell wird es auf 16.000 Terrawattstunden geschätzt. Das ist etwas so viel wie 2000 Atomkraftwerke der 1000 Megawatt-Klasse produzieren würden.