Das Fahrrad - Fortbewegungsmittel der Zukunft?!

Das von der Bundesregierung beschlossene Klimaschutzpaket erfordert ein Umdenken in der Verkehrspolitik. Ab 2021 wird Autofahren aufgrund der Erhöhung der Benzinpreise in Deutschland wesentlich teurer. Vor allem in Ballungsräumen steht die Mobilität vor großen Herausforderungen. Immer mehr Menschen zieht es in die Städte, was zu Überlastung der vorhandenen Verkehrsinfrastruktur und des öffentlichen Nahverkehrs führt. In urbanen Räumen gilt nun das Fahrrad als Transportmittel der Zukunft: Es ist günstig, fährt emissionsfrei sowie geräuscharm. Wir informieren, warum das Fahrrad im städtischen Verkehr an Bedeutung gewinnt.

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Fahrradboom: Der Trend geht zum Fahrrad

Vor über 200 Jahren erfunden, erlebt das Fahrrad heutzutage eine Renaissance. Die Zahl der Radfahrer nimmt in Deutschland immer weiter zu. In Berlin hat sich ihre Anzahl in den letzten 10 Jahren verdoppelt. Vor allem elektrisch angetriebene, sogenannte E-Bikes, erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Allein zwischen Januar und Juni 2019 wurden laut Schätzungen des Zweirad-Industrie-Verbands fast eine Million E-Bikes in Deutschland verkauft. Im Trend stehen auch Lastenräder. Gerade für Familien mit kleinen Kindern sind Lastenräder auf dem Weg zum Kindergarten oder zur Schule ziemlich praktisch. Aber die Räder eignen sich auch zum Transport von Großeinkäufen oder für die Auslieferung von Paketen. Mittlerweile fördert der Bund den Kauf von E-Lastenrädern für die gewerbliche Nutzung.

Heutzutage braucht jedoch niemand mehr ein Fahrrad zu besitzen. Sogenannte Bike-Sharing Dienste nehmen in allen größeren deutschen Städten zu. Über eine App kann man so innerhalb weniger Klicks ein Rad, je nach Bedarf, für einige Minuten, Stunden oder auch tageweise leihen. Ein Angebot, welches wachsenden Zuspruch findet, denn gerade auf Kurzstrecken ist das Rad meistens sogar schneller als das Auto und stellt damit in städtischen Verkehr das effizienteste Verkehrsmittel dar. Die Förderung von Fahrradfahren in Innenstädten gilt als bestes Mittel gegen städtische Verkehrsstaus, Feinstaubbelastung und den überfüllten öffentlichen Nahverkehr.

Mangelnde Fahrradinfrastruktur

Die Deutschen besitzen mehr als 75 Millionen Fahrräder und der Radverkehr in den Städten nimmt stetig zu, doch es mangelt an fahrradfreundlichen Verkehrskonzepten. Die Straßen in Deutschlands Städten sind sehr stark auf das Auto und fahrende Berufspendler ausgelegt. Für Radfahrer bleibt da meist wenig Platz, was häufig bedeutet, dass diese sich eine Straße mit den Autofahrern teilen müssen. Es mangelt an Radwegen, Abstellplätzen und insgesamt einer Infrastruktur, die sicheres Radfahren gewährleistet. Der Anteil des Radverkehrs am Gesamtverkehr hängt jedoch wesentlich von der Fahrradinfrastruktur ab. In Städten wie Kopenhagen und Amsterdam liegt der Anteil bei circa 30 %, bei gleichzeitig sehr geringem Unfallrisiko. Während der Anteil des Radverkehrs am gesamten Verkehrsaufkommen in Berlin und Hamburg bei 15% liegt, liegt dieser in Stuttgart bei lediglich 5%. Verglichen mit Amsterdam und Kopenhagen ist das Unfallrisiko in deutschen Städten wesentlich höher. Radfahren ist hierzulande nicht sicher genug.

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Was machen Städte wie Amsterdam und Kopenhagen besser?

Für innovative und fahrradfreundliche Verkehrskonzepte lohnt sich der Blick über den Fahrradlenker ins Ausland: Kopenhagen ist das leuchtende Beispiel in Sachen Fahrradfreundlichkeit und gilt bereits seit geraumer Zeit als weltweite Fahrradhauptstadt. 2016 wurden in der Innenstadt zum ersten Mal mehr Fahrräder als Autos gezählt. Dahinter steckt eine Vision. Kopenhagen hat sich zum Ziel gesetzt, die erste europäische Großstadt mit autofreiem Zentrum zu werden. Das lässt sich die Stadt einiges kosten: In den vergangenen zehn Jahren hat Kopenhagen circa 50 Millionen Euro in die Fahrradinfrastruktur investiert. Doch die Investitionen zahlen sich aus. Kopenhagen ist eine Blaupause für Verkehrskonzepte anderer europäischer Großstädte. Die Radwege in Kopenhagen sind vom Autoverkehr räumlich abgegrenzt, sodass Autofahrer gar nicht erst auf die Idee kommen, Radwege als zusätzliche Fahrspur zu missbrauchen. Außerdem sind über das gesamte Stadtgebiet Pumpstationen, an denen platte Reifen schnell und unkompliziert wieder fahrtüchtig gemacht werden können, verteilt. Es gibt ein ausgeklügeltes Ampelsystem, das grüne Wellen für Radfahrer ermöglicht und im Winter werden die Radwege als erstes vom Schnee befreit, erst danach folgen die Autostraßen. Mülleimer neigen sich in Richtung der Radwege und an Ampeln sind Fußstützen und Geländer installiert, damit die Fahrradfahrer sich bei Rot nicht von ihrem Sattel bewegen müssen. In Kopenhagen ist Radfahren nicht nur die umweltfreundlichste Art sich innerhalb der Stadt fortzubewegen, sondern auch die schnellste.

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Auch die Niederlande punkten in Sachen Fahrradfreundlichkeit. Als Radfahrer-Nation bekannt, ist das Radwegenetz in den Niederlanden bereits sehr gut ausgebaut. Amsterdam verfügt über circa 400 Kilometer an Radwegen und sogenannte Fahrradstraßen, auf denen allein Zweiräder fahren dürfen, sind in unserem Nachbarland keine Seltenheit. In Utrecht steht die weltweit größte Tiefgarage für Fahrräder. 12500 Drahtesel finden dort seit der Fertigstellung im Sommer 2019 platz. Die Tiefgarage, die direkt neben dem Hauptbahnhof liegt, erstreckt sich über drei Ebenen und ist rund um die Uhr geöffnet und bewacht.

Andere innovative Konzepte findet man unter anderem in England und Norwegen. In London wurde die Idee vorgestellt, ausgediente U Bahn-Tunnel als Fahrradwege zu nutzen. Norwegen baut sogenannte Fahrrad-Autobahnen, um mehr Menschen dazu zu bewegen, das Rad zu nutzen. 

Copenhagenize Index 2019

Mit dem Copenhagenize Index wird die Fahrradfreundlichkeit von Städten bestimmt. Seit der Einführung im Jahr 2011 wurden so 136 Städte weltweit evaluiert. Insgesamt sind 13 Kriterien für die Bewertung ausschlaggebend:

  • Interessenvertretung
  • Fahrradkultur
  • Ausstattung
  • Infrastruktur für Fahrräder
  • Bike-Share-Programme
  • Geschlechterverteilung
  • Verkehrsmittelwahl
  • Zuwachs von Radfahrern seit 2006
  • Sicherheitsempfinden
  • Politik
  • Soziale Akzeptanz
  • Stadtplanung
  • Verkehrsberuhigung
  • Lastenräder und Logistik

Amsterdam und Kopenhagen, wo der Bewertungsindex entwickelt wurde, belegen konstant Spitzenplätze. Im Jahr 2019 schafften es auch Bremen, Berlin und Hamburg in das Ranking der Top 20 fahrradfreundlichsten Städte, allerdings mit großen Abstand zu den ersten drei Rängen.

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Fazit

Das Fahrrad hat das Potenzial, das urbane Verkehrsmittel der Zukunft zu werden und damit zur Lösung städtischer Probleme wie Luftverschmutzung, Geräusch- und Feinstaubbelastung, Parkplatznot sowie Verkehrsstaus beizutragen. Das Beispiel Kopenhagens zeigt jedoch, dass dafür innovative und mutige Verkehrskonzepte, verbunden mit Investitionen in öffentliche Verkehrsmittel, Radwege und Parkmöglichkeiten für Fahrräder von Nöten sind.