Die Influencer von Morgen: Digital statt Real?

Haben Sie schon einmal von @lilmiquela gehört? Eine digitale Influencerin, welche durch Instagram weltweite Bekanntheit erlangte. Mit 1.5 Millionen Instagram-Followern hat diese mittlerweile Werbedeals mit Prada einstecken können und Aufmerksamkeit von Vogue, the Guardian und BBC.com erhalten. Ebenso wurde Lil Miquela von TIME zu einer der einflussreichsten Persönlichkeiten des Internets in 2018 ernannt. Wie derzeit schon der Fall, werden computergenerierte Persönlichkeiten bzw. Avatare immer häufiger zu unserem Leben in der Zukunft gehören. Und so kommt man nicht umhin, sich zu fragen, ob Charaktere wie Lil Miquela uns auf eine noch ausgeprägtere digitalisierte Zukunft vorbereiten, in welcher wir unseren Alltag mit künstlichen, aber dennoch menschenähnlichen Wesen teilen werden.Influencer2

Digitale Avatare sollen für mehr Toleranz sorgen

Im Internet hatten sich seit der Erstellung des Profils von Lil Miquela viele den Kopf zerbrochen, wer sich hinter dem mit Sommersprossen übersäten, digitalen Gesicht verbergen könnte. Ob es sich bei Lil Miquela um einen Werbegag oder gar ein weltweites, soziales Experiment handelte, blieb für viele lange Zeit unerschlossen. Letztendlich entschieden sich die Macher von Lil Miquela jedoch dazu, deren Geheimnis zu lüften. Lil Miquela wurde von Brud, einem Unternehmen in Los Angeles, welches sich auf künstliche Intelligenz und Robotik spezialisiert, ins Leben gerufen. Die Gründer von Brud, Trevor McFedries und Sara Decou, möchten mit ihren künstlichen, menschenähnlichen Avataren für mehr Empathie und Toleranz in unserer Welt appellieren, so zumindest das Statement auf deren übersichtlich gestalteten Homepage. So unterstützen Lil Miquela und andere Avatare des Unternehmens Bewegungen wie Black Lives Matter, Planned Parenthood und LBGTQ-Bewegungen.

Digitale Avatare sorgen für ethische Kontroversen

Nebst Lil Miquela haben in den letzten Jahren auch noch andere computergenerierte Avatare das Internet zum Staunen und Stirnrunzeln gebracht. So sorgte beispielsweise @Shudu bei der Bekanntgabe, dass es sich um keinen echten Menschen handelt, für Kontroversen. Besorgte Stimmen äußerten sich, dass es sich bei Shudu um die Ausbeutung von dunkelhäutiger Schönheit handele. Für dunkelhäutige Models seien die Möglichkeiten ohnehin schon zu niedrig, auf dem weltweiten Werbemarkt erfolgreich zu sein, dass zusätzliche digitale Konkurrenz unangebracht sei. Zu Bekanntheit kam Shudu, nachdem Sängerin Rihanna ein Foto veröffentlichte, auf welchem Shudu mit Lippenstift der Marke Fenty, Rihannas eigener Makeup-Linie, zu sehen war. Und hier kommt dann auch eine ethische Frage auf: Ist es vertretbar, echte, menschliche Models mit künstlichen zu ersetzen?

Sind die Models der Zukunft digital?

Für Firmen mag dies ein echter Vorteil sein, denn ein computergeneriertes Model wird nicht müde, braucht keine Pause, arbeitet 24/7, sieht zeitlos schön aus, kann nach Belieben verändert und angepasst werden, nimmt niemals ungewollt an Gewicht zu, noch wird die Arbeit aufgrund von Schwangerschaft oder Mutterschutz niedergelegt werden müssen. Doch denkt man über die Implikationen nach, welche Signale solch ein unerreichbares Schönheitsideal und Lebensstandard an die nachfolgenden Generation senden könnte, sind ethische Bedenken unausweichbar.

Das “uncanny valley” aka “Akzeptanzlücke”

Dass sogenanntes Facetuning und Programme wie Photoshop mittlerweile zum Alltag vieler Influencer und anderer Celebrities gehört, dürfte mittlerweile kein Geheimnis mehr sein. So werden Fältchen und Hautunreinheiten wegretuschiert, Gesichts- und Körperproportionen korrigiert, Poren verkleinert, Lippen vergrößert und Augenfarbe verändert - den Wünschen sind hier keine Grenzen gesetzt. Doch computergenerierte Persönlichkeiten gehen noch einen Schritt weiter: Diese sind entweder komplett computergeneriert oder ein echter Mensch wurde so stark mit einem Computerprogramm bearbeitet, dass sich der Betrachter nicht mehr sicher sein kann, ob es sich um Mensch oder Roboter handelt. Diese verzerrte Grenze, welche sich dann besonders bemerkbar macht, wenn sich die menschenähnliche Kreatur oder Roboter bewegt -also nicht nur auf einem Bild zu sehen ist-, ist unter dem Namen “uncanny valley”, oder auf Deutsch “Akzeptanzlücke”, bekannt. Unter diesem Begriff versteht man, wenn ein menschlicher Betrachter eine künstliche, menschenähnliche Gestalt sieht und diese überwiegend einem Menschen gleicht, aber dann doch nicht hundertprozentig überzeugen kann. Es gibt mittlerweile mehrere Theorien aus dem Bereich der Psychologie und Neurowissenschaften, welche dieses unheimliche Gefühl beschreiben sollen, welches wir von dem Anblick von menschenähnlichen Robotern und Figuren erhalten. Demzufolge ist die Abstinenz von nonverbalem Verhalten und mangelndem Ausdrucksverhalten eines Avatars, welcher von uns bereits als menschlich eingestuft wird, der Auslöser der Akzeptanzlücke. Dies ist wie bereits zuvor erwähnt besonders dann der Fall, wenn sich der Avatar bewegt.influencer1

Fazit

Je öfter wir den künstlichen Avataren ausgesetzt sind, desto bekannter und vertrauter erscheinen uns diese. Nach dem derzeitigen Erfolg von Lil Miquela und Shudu sollten es einen nicht überraschen, wenn in 2019 und 2020 noch mehr computergenerierte Influencer auf dem Markt erscheinen werden. Bei dem Anblick dieser dürfen wir uns zwar wundern, wie sich die digitale Zukunft weiter entwickeln wird, sollten die ethischen Implikationen jedoch nicht völlig außer Acht lassen.