Ölkrise 1973 - Autofreie Straßen in Deutschland

“Freie Fahrt für freie Bürger” gilt normalerweise für alle Deutschen auf deren Straßen und Autobahnen. Doch dem war nicht immer so: Zum 45. Jahrestag der autofreien Sonntage in Deutschland möchten wir uns zurückbesinnen, was die gähnende Leere auf deutschem Asphalt auslöste und welche Nachwirkungen wir noch heute spüren können. Erfahren Sie nachfolgend alles Wissenswerte zur Ölkrise in 1973 und den darauffolgenden autofreien Sonntagen in Deutschland.

Öl als politisches Druckmittel

In Deutschland wurden Energieressourcen bis 1973 als unerschöpflich angesehen. Nach der schwierigen Zeit des Wiederaufbaus in der Nachkriegszeit, hatte sich Deutschland als wahres Wirtschaftswunder entpuppt. Umso größer war der Schock, als sich die Organisation der arabischen Erdöl exportierenden Staaten (OAPEC) am 17. Oktober 1973 dazu entschied, erstmals deren Ölexport zu drosseln. Der damalige israelisch-arabische Jom-Kippur-Krieg war der Auslöser dafür, dass die arabischen Erdölexporteure sich erstmals dazu entschieden, deren schwarzes Gold als politisches Druckmitteln gegen die westlichen Staaten zu nutzen, welche Israel unterstützten. Mit dem begrenzten Lieferboykott wollten die arabischen Länder Druck auf die USA und Europa auswirken, um deren Haltung gegenüber Israel zu ändern. Israel hatte zu dem damaligen Zeitpunkt Syrien und Ägypten besetzt und die arabischen Länder warfen dem Westen eine einseitige, pro-Israelische Haltung vor, als diese wenig Unterstützung bei der Rückgewinnung ihrer Länder erhielten. So beschlossen die arabischen Länder, ihren Ölexport stetig um 5% pro Monat zu verringern, solange sich Israel nicht von den besetzten Gebieten zurückziehen würde.

Bereits am 16. Oktober hatten sich die arabischen Erdölexporteure darauf geeinigt, den Preis für Rohöl um bis zu 70% zu erhöhen. Infolge der gedrosselten Lieferung sowie der erhöhten Preise, brach auf dem Ölmarkt Panik aus. Benzin an Tankstellen wurde nur noch kontrolliert herausgegeben und besorgte Bürger fingen an, sowohl Heizöl als auch Benzin zu horten. Die Länder der Europäischen Gemeinschaft (EG) kalkulierten, dass deren Mindestbedarf mit den vorhandenen Reserven nur für weitere zwei bis drei Monate gedeckt werden könnte. Währenddessen versuchten Politiker in Deutschland die Bürger zu beruhigen, um einen Panikausbruch zu verhindern. Die anscheinliche Ruhe war jedoch trügerisch, denn der Zeitpunkt für die Zufuhrsdrosselung für Öl war für die europäischen Länder ein besonderes Problem: Der kalte Winter stand direkt vor der Tür und mit ihm ein erhöhter Bedarf für Heizöl.

13 Millionen Autos blieben stehen

Im Nachklang der künstlich erzeugten Ölknappheit erließ der damalige Bundeskanzler Willy Brandt im Eilverfahren ein Energiesicherungsgesetz, welches für vier ‘motorfahrzeugfreie’ Sonntage, beginnend am 25. November 1973, sorgte. Nur wer für die innere Sicherheit zuständig war, wie beispielsweise Polizei, Feuerwehr, Katastrophenschutz, Krankenhaus, Rettungsdienst, zu deutschen Behörden gehörte oder über eine entsprechende Sondergenehmigung verfügte, durfte sich auf Straßen und Autobahnen bewegen. Wer sich ohne eine solche Sondergenehmigung auf der Straße befand, erhielt eine saftige Geldbuße, welche von 500 bis hin zu 50.000 Deutsche Mark reichen konnte. Nach damaligen Polizeiangaben hielt sich die überwiegende Mehrheit aller Bürger jedoch peinlich genau an die verhängten Einschränkungen auf deutschen Straßen. Somit blieben am 25. November 1973 rund 13 Millionen Autos Zuhause stehen. Viele Deutsche nutzen daraufhin die leeren Straßen für entspannte Sonntagsspaziergänge oder Radtouren.

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Währenddessen verminderten die Bundesbehörden ihren Energiebedarf, indem weniger geheizt und Beleuchtung reduziert wurde. Für alle deutschen Bürger galten nun auch neue Geschwindigkeitsbegrenzungen im Straßenverkehr, welche am 26. November 1973 in Kraft traten. So durfte auf der Autobahn nicht mehr schneller als 100 km/h und auf der Landstraße maximal 80 km/h gefahren werden. Deutschland gilt jedoch nicht unbegründet als Land der unbegrenzten Fahrgeschwindigkeit auf dessen Autobahnen: Die verordneten Geschwindigkeitsbegrenzungen wurden nach gerade mal vier Monaten wieder aufgehoben, sodass die deutschen Autofahrer wieder ganz nach Lust und Laune auf das Gaspedal drücken konnten.

Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft

Die Ölzulieferung als politisches Druckmittel zu nutzen, zeigte die gewünschte Wirkung. Und während sich die Spannungen im israelisch-arabischen Konflikt lockerten und OAPEC die Drosselung der Ölzulieferung zurücknahm, blieben die Ölpreise unverändert hoch. Der Preis für 1 Barrel Öl, welches 159 Litern entspricht, stieg von $2.83 in 1973 auf beachtliche $36.15 in 1980 an. Die Bundesrepublik gab demnach in 1974 im Vergleich zum Vorjahr bereits ganze 153% mehr für Erdölimporte aus. Die Auswirkungen waren weltweit spürbar und für die westliche Wirtschaft entsprechend verheerend: Die Konjunktur nahm drastisch ab und Insolvenz- sowie Arbeitslosenzahlen stiegen dementsprechend an. So stieg die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland von rund 273.000 in 1973 auf über 1.000.000 in 1975 an. Die Produktion der Automobilindustrie brach um 18% ein.

Wenn man sich die Auswirkungen der Ölkrise von 1973 im Nachhinein betrachtet, hatte diese jedoch auch etwas Positives. So wurden sich die westlichen Industrieländern erstmals über ihre wirtschaftliche Abhängigkeit von Öl bewusst. Der extreme Anstieg des Ölpreises veranlasste die westliche Länder bestrebter nach neuen Erdölquellen und anderen alternative Energiequellen, wie Atom-, Wind- und Solarenergie zu suchen sowie langfristige Energiesparmaßnahmen ernster zu nehmen. Bereits im Dezember 1973 stellte die Bundesregierung ein Programm für die Planung und den Bau von rund 40 Kernkraftwerken auf, welches eine Investition von rund 6 Milliarden Deutsche Mark vorsah. Ebenso führte die Ölkrise zur Geburt der Öko-Steuer, welche nur wenige Jahre nach der Ölkrise entstand.

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Fazit

In Hinsicht auf die derzeitige Lage unserer natürlichen Rohstoffe, kann einem auf den ersten Blick recht bange werden: So gehen unsere derzeitigen weltweiten Reserven für Öl bereits gegen 2050 zu Neige, gefolgt von Gas in 2060 und Kohle in 2090. Die Daten setzen jedoch voraus, dass keine neuen Reserven gefunden werden. Derzeit werden jedoch immer noch neue Reserven gefunden. Flächenmäßig werden diese Reserven jedoch immer kleiner, während unser Bedarf stetig ansteigt. Es lässt sich daher nur schwer verleugnen, dass langfristig Alternativen gefunden und stärker gefördert werden müssen. Doch was kann man selber tun? Schon heute bieten viele Energieversorger Öko-Tarife für Gas und Strom an. Bei diesen Tarifen wird darauf geachtet, dass der Anteil der erneuerbaren Energien im Verhältnis zum Gesamtanteil des Stroms stetig anwächst und somit ein Ausbau von diesen vorangetrieben wird. Falls Sie an einem Umstieg auf Öko-Strom oder Öko-Gas interessiert sind, können Sie sich online bei unserem Gasvergleich sowie Stromvergleich über die günstigsten Tarife entsprechend informieren und umsteigen.

Der 16. Dezember 1973 ist bis dato der letzte autofreie Sonntag, den Deutschland erlebt hat. Würden Sie der Umwelt zuliebe Ihr Auto freiwillig für einen Sonntag stehen lassen?