Stromanbieter insolvent

Immer wieder liest man in den letzten Wochen die Überschrift, dass ein weiterer Energieanbieter Insolvenz angemeldet hat oder die Versorgung für seine Kund:innen einstellt. WechselJetzt.de erklärt, wie es dazu kommt und was für Schritte Sie als Verbraucher:in bei einem solchen Fall unternehmen können.

Warum wird ein Stromanbieter insolvent?

Stromanbieter bieten ihren Kund:innen verschiedene Tarife an und versuchen sich mit ihren Angeboten gegenseitig zu unterbieten. Diese Verträge haben meistens eine Vertragslaufzeit von ein bis zwei Jahren und oft auch eine Preisgarantie für das erste Jahr, um Kund:innen anzuwerben.

Den eigentlichen Strom erwerben die Anbieter allerdings kurzfristig am Großhandel. Die Anbieter setzen also mit ihren billigen Tarifen darauf, dass der Strompreis, für den sie einkaufen, niedrig bleibt oder sinkt. Seit Herbst 2021 steigen die Strompreise auf dem Strommarkt allerdings an und die Anbieter machen signifikante Verluste, da sie die Mehrkosten aufgrund der Preisgarantien nicht an die Kund:innen weitergeben können. Der Börsenstrompreis stieg bis zur Weihnachtswoche auf über 250 Euro pro Megawattstunde - etwa sechsmal so hoch wie ein Jahr zuvor. Der Gaspreis steigt ebenfalls weiterhin rasant an. Bereits im Oktober 2021 war der Gaspreis um 440% höher als am Jahresanfang. Gas wird zum Heizen aber auch zur Stromerzeugung genutzt – der fossile Brennstoff hat also auch einen Einfluss darauf, wie viel Strom kostet. Die erhöhten Preise erklären sich durch die Einschränkungen der verfügbaren Mengen auf der Beschaffungsseite. Viele Stromanbieter müssen zusätzlich Vorauskassen- und Sicherheitsleistugen an ihre Marktpartner leisten, welche massiv angestiegen sind. Diese Punkte resultieren in einer eingeschränkten Liquidität der Unternehmen. Die folgende Grafik veranschaulicht den Vorgang, welcher zur Insolvenz der Stromanbieter führt.

Stromanbieter insolvent

Welche Stromanbieter sind insolvent?

Der erste Stromanbieter meldete bereits am 14. Oktober 2021 Insolvenz an. Bereits Ende September beendete der Vorlieferant den Liefervertrag mit OTIMA Energie AG und nun kündigten auch die Übertragungsnetzbetreiber ihre Bilanzkreisverträge mit dem Unternehmen. Die Insolvenz des Strom- und Erdgaslieferant aus Brandenburg betrifft 430 Kund:innen, die sich in etwa 70% öffentliche Auftraggeber, 28% private Unternehmen und 2% Privatkund:innen aufteilen. Zu Engpässen kam es jedoch glücklicherweise nicht, da die Grundversorger die Kund:innen auffingen.

Im Oktober musste auch der Hamburger Öko-Energieanbieter Smiling Green Energy Insolvenz anmelden. 1500 private und gewerbliche Kund:innen wurden von dem Unternehmen unter der Marke “Natürlich-grün-Strom” versorgt. Auch diese Kund:innen wurden von den jeweiligen Grundversorgern übernommen.
Für Ende Oktober war auch Schluss für Berla Energie. Sie stellten ihre Stromversorgung ein, da ihr Übertragungsnetzbetreiber ihnen zum 14. November 2021 gekündigt hat.

Im November ging es weiter. Lition Energie, ein Berliner Versorger meldete Insolvenz an und war damit der erste größere Anbieter. Die rund 20.000 privaten Kund:innen erhalten ebenfalls eine  Ersatzversorgung ihres örtlichen Grundversorgers.

Auch im November musste leider ein zweiter Versorger die Insolvenz anmelden. Ende des Monats traf es Fulminant Energie, der nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich insgesamt rund 10.000 Kund:innen mit Strom und Gas belieferte. Auch hier wurden aufgrund der gesetzlich vorgesehenen Ersatzversorgung die Kund:innen ab dem 01. Dezember und somit ohne Unterbrechung durch die kommunalen Grundversorger mit Strom und Gas beliefert.

Anfang Dezember dann die nächste Insolvenz: Diesmal von dem sächsischen Stromanbieter Dreischstrom. Den Schritt musste das Unternehmen am 8. Dezember tätigen, da sie keinen Zugriff mehr auf die eingekauften Mengen Energie hatten, nachdem einer ihrer Vorlieferanten pleite gegangen war. Zahlen, wie viele Kund:innen von dieser Entscheidung betroffen sind, gibt es nicht.

Neckermann Strom AG folgte den anderen Anbietern am 20. Dezember. Rund 13.000 Kund:innen in ganz Deutschland sind von dieser Insolvenz betroffen und landeten nun in der Grundversorgung.

Nur einen Tag später wurde bei Stromio der Betrieb eingestellt, was bedeutet, dass die Kund:innen nicht mehr beliefert werden. Als Grund für den Lieferstopp nennen auch sie, ähnlich wie bei OTIMA, dass die vier Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz, Amprion, TransNetBW und Tennet ihre Verträge mit Stromio kurzfristig gekündigt haben. Betroffen sind dadurch mehrere 100.000 Kund:innen. Auch hier übernehmen die Grundversorger die Kund:innen. Aufgrund der Menge an Neukund:innen geraten allerdings teils auch diese in die Bredouille. Die Kund:innen könnten teilweise nicht alle in die Kundenersatzversorgung genommen werden, da es den Unternehmen wirtschaftlich schaden würde. Deswegen wurden teilweise neue Sondertarife für die Neukund:innen eingerichtet, die sich an den aktuellen Marktpreisen orientiert. Dadurch, dass der regionale Grundversorger verpflichtet ist, die Kund:innen aufzunehmen, müssen diese nun zu den stark erhöhten Marktpreisen Strom dazu kaufen. Daher werden die Preise in der Grund- und Ersatzversorgung neu kalkuliert und gegebenenfalls erhöht.

Anfang Januar wurde die Situation nicht besser. Direkt in der ersten Woche meldeten der Hamburger Energieversorger enyway und der KEHAG Energiehandel aus Bremen Insolvenz an. Letzterer hatte bereits zum 31. Dezember 2021 seine Belieferung eingestellt.Aufgrund der anhaltenden Entwicklungen musste auch Ende Januar ein weiterer Energieanbieter Insolvenz anmelden. “Enqu” ein Unternehmen aus Kiel meldete zum 28. Januar die Insolvenz an, hatte jedoch bereits Mitte Dezember alle Energielieferverträge beendet. Die Begründung war, dass sie die Versorgung nicht mehr sicherstellen konnten. Dies galt um die genauen Daten zu nennen seit dem 21.12 für Stromlieferungen und seit dem 23.12 für Gaslieferungen. Betroffen sind erneut tausende Kund:innen.

In Großbritannien mussten 2021 insgesamt 40 Stromanbieter Insolvenz anmelden, betroffen waren zwei Millionen Kund:innen. Die Lage in Deutschland ist bisher aber nicht annähernd so akut. Es ist aber nicht unwahrscheinlich, dass weitere Anbieter eine Insolvenz anmelden müssen. Hier kann man allerdings nicht pauschal sagen, dass nur die kleinen Anbieter, die eine geringere Liquidität besitzen als größere Unternehmen, gefährdet sind. Eine große Rolle spielt vor allem die Strategie, welche die Unternehmen nutzen um Strom oder Gas einzukaufen. Im Auge behalten sollte man vor allem die Anbieter, die mittlerweile keine Neukund:innen mehr annehmen. Dazu gehören der Energiekonzern EnBW, Entega oder auch E.ON (der Anbieter nimmt mittlerweile allerdings wieder Neukund:innen auf). Ein weiterer Punkt, der ebenfalls ein Anzeichen für Schwierigkeiten in der Versorgung bedeutet, ist wenn ein Anbieter die Lieferung gebietsweise einstellt, wie es beispielsweise Immergrün oder Wunderwerk getan hat. Nach Auskunft der Bundesnetzagentur haben im Jahr 2021 bundesweit 39 Energielieferanten die Beendigung ihrer Belieferung angezeigt - doppelt so viele wie im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre. Davon bedienten 29 nur Stromkund:innen, vier nur Gaskund:innen und sechs Anbieter boten Strom und Gas an.

Was ist zu tun, wenn der eigene Stromanbieter Insolvenz anmeldet?

Die Energieversorgung ist in Deutschland automatisch gesichert, also ist man nie ohne Strom oder Gas. Die Ersatz- und Grundversorgung ist allerdings teurer als die Normaltarife. Ein Stromtarif Vergleich kann nun dabei helfen, einen neuen, günstigeren Stromvertrag zu finden. Unter bestimmten Bedingungen ist es Ihrem neuen Anbieter sogar möglich Sie rückwirkend aus der Ersatzversorgung rauszuholen. Nach der Insolvenz des aktuellen Anbieters und der Übernahme des Grundversorgers durch die Ersatzversorgung erhalten alle von der Insolvenz des Energieversorgers betroffenen Kund:innen nach 6 Wochen einen Brief. Nach diesen 6 Wochen kommt man aus der Ersatz- in die Grundversorgung. Innerhalb dieser 6 Wochen in der Ersatzversorgung haben die Kund:innen die Chance rückwirkend rauszukommen.

Wichtige Schritte, welche Sie durchführen sollten, wenn Sie von einer Insolvenz des Energieanbieters oder der Kündigung des Energievertrages durch den Energieanbieter betroffen sind, listen wir nachfolgend auf:

  • Prüfen Sie den Erhalt einer Kündigung. Haben Sie durch die Nachrichten erfahren, dass Ihr Anbieter die Belieferung einstellt, aber keine Kündigung durch den Anbieter erhalten? In diesem Fall raten wir, eine formlose Kündigung an den Anbieter zu senden. Paragraph §314 des BGB sieht vor, dass Kund:innen bei einer Einstellung der Belieferung durch den Energieversorger den Liefervertrag fristlos kündigen können.
  • Notieren Sie sich Ihren Zählerstand genau und melden diesen umgehend Ihrem Netzbetreiber. Der Netzbetreiber leitet Ihre Zählerstände an die Lieferanten weiter. Den Netzbetreiber finden Sie auf Ihrem Gas- und Stromzähler. Mit dem aktuellen Zählerstand können Sie die Abrechnungen auf Ihre Richtigkeit prüfen. Außerdem benötigt die Ersatzversorgung diesen, um eine korrekte Abrechnung zu erstellen.
  • Beenden Sie Ihre Einzugsermächtigung. Sie sollten nun dem Anbieter keine weiteren Vorauszahlungen oder Abschläge überweisen. Sollte der Anbieter trotz Widerruf Geld vom Konto abziehen, kann dieses mit Hilfe der Bank zurückgefordert werden. Weitere offene Rechnungen sollten Sie am besten eigenständig per Überweisung begleichen.
  • Als letztes empfehlen wir, einen neuen Anbietervergleich durchzuführen. Die Preise der Ersatzversorgung gleichen häufig den Preisen der Grundversorgung. Da diese Preise in der Regel höher ausfallen als die eines alternativen Anbieters bieten sich ein Gasvergleich oder Stromvergleich an, um bei der Energieversorgung einen möglichst preiswerten Vertrag zu finden. 

Offenes Guthaben & ausstehende Boni

Einige Kund:innen werden noch Guthaben bei ihrem Anbieter haben oder noch ausstehende Boni. Doch wie genau werden diese bei einer Insolvenz ausgezahlt? Mit dem Insolvenzantragsverfahren wird ein Insolvenzverwalter bestellt und das Amtsgericht ordnet eine vorläufige Verwaltung des Vermögens durch diesen an. Der Insolvenzverwalter muss dann alle Ausgaben des Energieversorgers sperren, so dass eine Auszahlung erstmal nicht möglich ist. Kund:innen, die betroffen sind, werden inklusive ihrer Ansprüche in einer Insolvenztabelle notiert und nach und nach abgearbeitet.
Bis Sie die Abschlussrechnung erhalten, wird Zeit vergehen. Insolvenzen sind eine komplexe Angelegenheit und es wird dauern bis alle nötigen Unterlagen geprüft wurden.

Schadensersatz

Der Insolvenzverwalter muss ebenfalls bewerten, ob die Insolvenz begründet ist. Entscheidet er, dass eine Insolvenz die falsche Entscheidung war, haben die Kund:innen Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Vertrages. Die unwirksame Kündigung ist eine Vertragsverletzung. Schadensersatz kann man allerdings erst verlangen, wenn ein Schaden besteht, den die andere Partei zu verschulden hat. Bei dem Ausfall der Stromversorgung durch den derzeitigen Anbieter kann dies etwa die teurere Versorgung durch den Grundversorger oder auch einen anderen Anbieter sein. Die Versorgung mit dem ursprünglich vereinbarten Tarif ist in den meisten Fällen günstiger. Der Schaden ist dementsprechend die Differenz zwischen dem günstigen Tarif, den man als Kunde mit dem ursprünglichen Unternehmen vereinbart hat und dem höheren Preis der neuen Belieferung.
Diesen Anspruch kann der Kunde oder die Kundin als Forderung zur Insolvenztabelle anmelden. Um diesen außergerichtlichen Schadensersatz geltend zu machen, muss man ein Schreiben mit der Schadensersatzforderung an den Energieversorger schicken. Wenn sich so keine Einigung erzielen lässt, kann man den Schadensersatz gerichtlich geltend machen. Um Schadensersatz gerichtlich geltend zu machen, kann man eine Schadensersatzklage einreichen.