Unsere Interviewreihe zum Thema Fracking geht weiter. Diesmal haben wir den Gründer des Expertenportals www.energie-experten.org Robert Doelling um Antwort gebeten, der vor rund 5 Jahren das Expertenportal ins Leben gerufen hat. Sein Ziel ist es, über die Vorteile Erneuerbarer Energien und Energieeffizienz endkundengerecht zu informieren und zu jedem Thema, deutschlandweit Experten zu vermitteln.
Fracking als Lösung zur unabhängigen Energiebeschaffung?
Laut Robert Doelling könnte Fracking die Abhängigkeit Deutschlands von Importen theoretisch verringern. „Die Gewinnung von Erdöl und Erdgas aus öl- und gashaltigen Tonstein und Schieferton erfordert zwar eine aufwendigere Technik, kann aber theoretisch tatsächlich die Lagerstätten in Deutschland noch einmal weiter ausbeuten.“ In welchem Umfang dies jedoch möglich wäre, ist heute noch unklar.
Doelling stellt sich allerdings die Frage, wieso man seitens der Bundesregierung überhaupt dem Fracking eine größere Bedeutung beimisst, obwohl seit langem der Ausstieg aus der Exploration eigener fossiler Energieressourcen beschlossen ist. Bevor man über Gesetzesänderungen nachdenkt, sollte die Bundesregierung eher den Ausbau der Erneuerbaren weiter vorantreiben. Eines steht für ihn fest: Nur der Umstieg auf Erneuerbare kann die Abhängigkeiten von Energieimporten dauerhaft reduzieren.
Schadet Fracking der Umwelt?
Ob Fracking der Umwelt schadet ist abhängig von der jeweiligen Technik. Laut dem Gründer des Expertenportals ist das "konventionelle" Fracking eher unbedenklich wenn die Erdgasexploration in den geeigneten Schichten fachgerecht angewendet wird. Im Kristallinen besteht jedoch eine gewisse Erdbebengefahr wie sich z. B. im HDR-Projekt in Basel zeigte.
Die Gefahr von Umweltschäden steigt jedoch mit dem Druck, dem eingebrachten Chemikalienmix und der Dauer der Frackingmaßnahmen. Auf lange Sicht sind die Folgen noch nicht abzuschätzen. Rund die Hälfte der chemiebelasteten Frackfluide verbleiben nämlich in den Förderungsschichten. Auch kann es passieren, dass sich durch unzureichende Bohrlochabdichtungen Fließwege bilden, die den Untergrund mit den grundwasserführenden Schichten verbinden und somit das Grundwasser doch beeinflusst werden kann.
Dazu kommt noch die Frage, wie das Frackwasser entsorgt werden soll. “Eine unmittelbare Umweltbelastung ergibt sich z. B. beim Ableiten der Abwässer durch undichte Pipelines. In den USA wurde das Abwasser alternativ in oberirdischen Becken gelagert oder in Klärwerke abgelassen, die für die Aufbereitung jedoch nicht geeignet waren. Eine weitere Methode wäre das oberirdische Verdampfen. Bei der Chemikalienbelastung kann ich mir allerdings kaum eine Genehmigungsfähigkeit hierfür vorstellen“, so Robert Doelling.
Ist Fracking gesetzlich überhaupt regelbar?
Am Beispiel von Niedersachsen erklärt Doelling die verborgenen Risiken, die von den geplanten Änderungen des Bundesberggesetzes ausgehen könnten. Während die Landesregierung plant, die Erdgasförderung aus unkonventionellen Lagerstätten mit umwelttoxischen Substanzen gesetzlich ausschließen, will Niedersachsen stattdessen Erdgasförderung aus tiefem Sandgestein fortsetzen, wenn auch unter strengeren Umweltauflagen. Da bei der Änderung des Bundesberggesetzes von ungewissen Begriffen wie Ermessensentscheidungen und "obligatorischen" Umweltverträglichkeitsprüfungen Gebrauch gemacht wird, welche in der Realität Ermessensspielräume möglich machen, stellt Doelling zu Recht die Frage, wie man die Umweltverträglichkeit prüfen will, wenn man die Umweltrisiken im Ganzen nicht abschätzen kann?
Wird sich Deutschland gegen das Fracking-Verfahren wiedersetzten?
Die derzeitige Diskussion um einen öffentlichen Fonds zur Finanzierung des Abrisses der Alt-AKW oder aber auch die Behebung der Folgeschäden des Deepwater Horizon-Unglücks im Golf von Mexiko zeigen deutlich, dass die Privatwirtschaft nicht in der Lage ist, Folgeschäden in mehreren Jahrzehnten einzukalkulieren oder gar gänzlich zu beheben. Bei Vattenfall und auch anderen Konzernen tritt diesbezüglich gerade ein Umdenken ein, das eine andere interne Risikobewertung nach sich ziehen wird. Ob in ein paar Jahren eine Vielzahl der Fracking-Projekte in Deutschland wirklich umgesetzt werden wird, hält Doelling diesbezüglich aber auch aufgrund des sich schnell wandelnden Energiemarktes für unwahrscheinlich. Dies zeigte auch die Diskussion um CCS, das heute mehrheitlich als unwirtschaftlich angesehen wird.
Trotzdem fordert Robert Doelling eine sachliche, transparente und wertfreie Diskussion des Frackings. Dazu gehöre auch, den Bürgern mehr Gehör zu verschaffen und deren Einwände ernst zu nehmen. Denn Vorbehalte gegenüber Fracking sind nicht einfach nur eine vage Angst vor jedwedem Neuen oder einfach nur NIMBY-Egoismus, sondern basieren auf gesundem Menschenverstand, der eine Technik ablehnt, die Chemie in den Boden pumpt, um die letzten fossilen Ressourcen auszubeuten, obwohl wir wesentlich bessere, erneuerbare Lösungen längst haben.
Mehr Informationen zu dem Expertenportal Energie-Experten, finden Sie auf http://www.energie-experten.org.
Lesen Sie das Interview zum Thema Fracking mit dem Stromversorger enQu.