No-Deal-Brexit: Schwerwiegende Folgen

Seit dem Brexit-Referendum im Juni 2016 diskutieren Politiker aus Großbritannien und der Europäischen Union (EU) über die Realisierung des Austritt-Vorhabens. Das wohl größte Problem stellt die Grenze zwischen Irland und Nordirland dar, welche die Gewalt in der Region wieder aufflammen lassen könnte. Des Weiteren ist der Brexit mit negativen wirtschaftlichen Folgen auf beiden Seiten verbunden. Die deutsche Wirtschaft befürchtet im Falle eines harten Brexits hohe Verluste bezüglich Arbeitsplätze und Wohlstand.

UK flag

Wieso gibt es noch keine Einigung zwischen Großbritannien und der EU?

Die EU und Großbritannien verfolgen unterschiedliche Ziele bezüglich des Brexits. Die EU stellt finanzielle, rechtliche und politische Forderungen an Großbritannien, die das Land erfüllen muss, wenn es den Zugang zum europäischen Binnenmarkt weiterhin erhalten möchte. Großbritannien akzeptiert diese Forderungen jedoch nicht oder nur teilweise, sodass die Verhandlungen bisher zu keinem Ergebnis geführt haben. 

Derzeit blockiert das britische Parlament die Brexit-Verhandlungen. Jedes Mal, wenn die EU und Großbritannien eine Einigung in den Austrittsverhandlungen erzielt haben, muss die britische Premierministerin May die Ergebnisse dem britischen Parlament vorstellen. Viele britische Politiker kritisieren die Beschlüsse von May, da sie diese je nach politischer Position entweder als zu pro-europäisch oder zu nationalistisch beurteilen. Das britische Parlament lehnte die Vorhaben von May letzte Woche wieder entschieden ab. Da es derzeit unmöglich scheint zu einer akzeptablen Lösung zu gelangen, schlug die britische Labour Party letzten Montag ein neues Brexit-Referendum vor. Dieses lehnte May jedoch strikt ab, da es den sozialen Zusammenhalt des Landes gefährden könne.

Die Labour Party wirbt des Weiteren für einen gemeinsamen Binnenmarkt mit der EU, um eine Grenze zwischen Nordirland (im Falle des Brexit nicht mehr Teil der EU) und Irland (EU) zu vermeiden. Die EU wird einem freien Warenverkehr allerdings nur zustimmen, wenn Großbritannien gleichzeitig den freien Verkehr von Personen, Dienstleistungen und Kapital (zumindest teilweise) akzeptieren, finanziell zur EU beitragen und weiterhin einen Großteil der EU-Regulierungen befolgen werde. Eine ähnliche Regelung gibt es bereits mit dem EU-verbundenen Nichtmitgliedsland Norwegen. Ein Hauptgrund für den EU-Austritt Großbritanniens ist allerdings gerade die Ablehnung des freien Personenverkehrs und der Dominanz europäischer Gesetze. 

May versucht weiterhin Oppositionsparteien von ihrem Brexit-Plan zu überzeugen. Gibt es am Ende keine Einigung im britischen Parlament, wird es zu einem harten Brexit kommen, welcher weder für die EU noch für Großbritannien wünschenswert ist. Ein harter Brexit würde bedeuten, dass es keine Übergangsphase gäbe, sondern dass Großbritannien ungeordnet aus der EU austreten würde. Beide Seiten streben nach einer Einigung, um einen abrupten Austritt auszuschließen. Dessen Regeln müssen aber bis zum 29. März diesen Jahres beschlossen werden. Eine Einigung ist jedoch noch nicht in Sicht. Sowohl das britische Parlament als auch alle EU-Länder müssen dem Brexit-Deal zustimmen. Irland könnte gegen ein Abkommen stimmen, falls keine Lösung für die irische Grenze gefunden werden sollte.

Irland

Die Folgen eines harten Brexits für die irische Grenze

Das wohl größte Problem für eine Brexit-Einigung ist die irische Grenze. Die Frage bleibt weiterhin offen, wie die Grenze nach dem Brexit aussehen solle. Würde Großbritannien nicht mehr Teil des Binnenmarktes bleiben, müsste eine physische Grenze zwischen Irland und Nordirland wieder eingeführt werden, welche den Konflikt in der Region erneut aufflammen lassen könnte.

1968 brach ein Bürgerkrieg in Nordirland zwischen Protestanten und Katholiken aus. 1922 hatte sich das mehrheitlich katholische Irland vom mehrheitlich protestantischen Großbritannien abgespalten. Nordirland blieb Teil von Großbritannien. Die katholische Minderheit in Nordirland fühlt sich seitdem diskriminiert. Im Jahr 1972 kam es schließlich im Bloody Sunday (Blutsonntag) zu schwerwiegenden Auseinandersetzungen, in denen 14 Menschen starben. Der Konflikt wurde erst im Jahr 1998 beigelegt. In diesem Jahr erklärte Irland, dass es auf eine Wiedervereinigung mit Nordirland verzichte. Gleichzeitig wurden politische Institutionen in Nordirland gegründet, die insbesondere den Katholiken mehr Mitbestimmung zusichern sollten. Eine neue Eskalation des Konflikts wird nun befürchtet, sollte die Frage der irischen Grenze ungeklärt bleiben, da die offene Grenze ein entscheidender Bestandteil des Friedensabkommens darstellt. Die derzeitige Unsicherheit bezüglich des Brexits lässt Gefühle der Vergangenheit bereits wieder aufkommen.

Es gibt viel regionalen Handel zwischen Nordirland und Irland, welcher durch den Brexit-Deal beeinflusst sein würde. Daher setzen sich Politiker auf beiden Seiten für eine zufriedenstellende Irland-Lösung ein. Eine mögliche Lösung könnte eine Verlagerung der Grenze zwischen der EU und Großbritannien in die irische See sein. In diesem Falle würde Nordirland Teil des europäischen Binnenmarktes bleiben. Diese Lösung würde Nordirland jedoch weiter an Irland binden, was die Protestanten sowie Großbritannien verhindern wollen.

Bundestag

Mögliche Auswirkungen eines harten Brexits auf die deutsche Wirtschaft

Ein harter Brexit würde sowohl die britische als auch die europäische und deutsche Wirtschaft stark treffen. Sollte dieses Szenario eintreten, wird Großbritannien mit einer Rezession zu kämpfen haben. Aufgrund der engen Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland wird sich diese auch negativ auf die Wirtschaft hierzulande auswirken. Großbritannien ist Deutschlands fünftwichtigster Exportmarkt und damit sind mehr als 750.000 deutsche Arbeitsplätze im Falle eines harten Brexits gefährdet. Darüber hinaus müssen sich Exportunternehmen auf Zölle einstellen, die mit Extra-Kosten, -Zeit und -Aufwand verbunden sind. Ein weiteres Problem wäre, dass die Zollbehörden nicht ausreichend auf dieses Szenario vorbereitet sind, was die Verzögerungen im Handel zwischen der EU und Großbritannien weiter verschlimmern würde. Die meisten Unternehmen in Deutschland folgen den Empfehlungen der Bundesregierung und bereiten sich auf den Fall eines harten Brexits vor. 

Fazit

Ein harter Brexit ist weder für Großbritannien noch für die EU oder Deutschland wünschenswert. Dieser könnte zu einem erneuten Aufflammen der Probleme in Nordirland führen und die Wirtschaft beider Parteien stark belasten. Darum setzen sich Politiker derzeit verstärkt für eine Kompromissfindung ein. Die EU möchte jedoch nicht auf ihre Forderungen verzichten und das britische Parlament bleibt stark gespalten, was die Brexit-Lösung betrifft. Die nächsten Wochen werden zeigen, ob eine Lösung vor dem 29. März erzielt werden kann oder ob es tatsächlich zu einem ungeordneten Austritt von Großbritannien kommen wird.